Laparoskopische biliopankreatische Diversion (BPD)
Diese so genannte biliopankreatische Teilung (engl.: bilio pancreatic diversion = BPD) stellt eine Weiterentwicklung des intestinalen Bypasses dar und wurde seit 1976 von Nicola Scopinaro in Genua (Italien) entwickelt, der eine beachtliche Patientenzahl (ca. 2000) im Langzeitverlauf überblickt. Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Roux-en-Y-Magenbypass. Dabei handelt es sich um eine anspruchsvolle und wegen den möglichen Komplikationen nach der Operation und im Langzeitverlauf potentiell gefährliche, im Bezug auf den Gewichtsverlust aber äusserst effektive Therapie. Das Prinzip beruht auf einer Nahrungsrestriktion – Magenverkleinerung durch eine distale Gastrektomie – ähnlich dem Magenbypass – , d.h. die untere Magenteilentfernung mit Belassen eines Restmagens, das ein definiertes Volumen von 200-500ml aufweist – und einer Mangelverdauung. Dabei wird entweder die große Kurvatur entfernt und ein Magenschlauch gebildet, oder – ähnlich dem Magenbypass – eine quere Abtrennung des Magens vorgenommen. Auf jeden Fall wird der abgetrennte Magenrest entfernt, so dass eine spätere Magenspiegelung für den „Restmagen“ möglich ist. Die Rekonstruktion der Darmkontinuität erfolgt durch Verbindung des Restmagens mit ca. 200 cm distalem (unterem) Dünndarm, was einen raschem shunt in den unteren Dünndarm (Ileum) ermöglicht.
Das Halten des Gewichtes erfolgt durch die biliopankreatische Diversion (Umleitung der Verdauungssäfte) über eine permanente, selektive Malabsorption (verringerte Aufnahme) für Fett und Stärke. Dabei wird der proximale (obere), ausgeschaltete Dünndarmanteil, der sämtliche Verdauungsfermente aus der Bauchspeicheldrüse und die Galle aus der Leber enthält, wiederum mit dem unteren Dünndarm verbunden, rund 50 - 100cm vor dem Übergang in den Dickdarm. Damit ist die resorptive Dünndarmfläche für Fette und Stärke, die den Verdauungssaft aus dem Pankreas und die Gallensäuren aus der Leber benötigen, so stark verkleinert, dass nur eine kleine Menge „verdaut“ und somit in den Körper aufgenommen werden kann. Die Eiweissaufnahme aus dem Darm hingegen erfährt geringfügigere Reduktion und einfache Zuckerverbindungen werden ungehindert aufgenommen.
Zusätzlich wird zur Verhinderung der während rascher Gewichtsreduktion gehäuft auftretenden Gallensteinleiden die Entfernung der Gallenblase durchgeführt. Die Komplikationen dieses Eingriffs sind gegenüber dem intestinalen Bypass geringer, die Sterblichkeit liegt zwischen 0.8% (Anfangsjahre) und 0.4% (Scopinaro), vorausgesetzt, die Methode wird durch ein entsprechendes Zentrum mit der notwendigen Erfahrung bei strikt eingehaltenem Nachsorgeplan durchgeführt. Das Verfahren beinhaltet einen erheblichen Eingriff in die normale Anatomie des Magen-Darmtraktes und erfordert eine lebenslängliche Überwachung der Patienten zur Erkennung von Mangelzuständen wie Mineralien- (Eisen, Calcium), Vitamin- (va. fettlösliche und Vit. B-Komplex) und Eiweissmangel, die gegebenenfalls sofort ersetzt werden müssen. Aufgrund der Effizienz bezüglich des Gewichtsverlustes hat diese Methode in den letzten Jahren einen gewissen Aufschwung erlebt und wird außer in Italien und Deutschland vereinzelt in andern Ländern Europas auch in den USA durchgeführt.
Der Eingriff ist technisch anspruchsvoll und sollte nur von trainierten Operateuren mit ausreichender Erfahrung in Angriff genommen werden
Inzwischen wird das Operationsverfahren bei Risikopatienten auch in zwei Schritten ausgeführt. Die Operationszeiten hängen größtenteils von der Technik und der Erfahrung des Operateurs ab: So benötigten US-Chirurgen in den ersten Jahren ab 1999 etwa zehn Stunden. Je nach Anzahl der bereits durchgeführten Operationen, dem Gewicht des Patienten, dessen bestehenden Nebenerkrankungen und nach den laparoskopischen Fähigkeiten des Operateurs bewegt sich die Operationszeit heute zwischen vier und zwei Stunden. Der operative Eingriff ist technisch anspruchsvoll und sollte nur von trainierten Ärzten mit ausreichender Erfahrung in Angriff genommen werden. Der technische Schwierigkeitsgrad ist allein wegen der Fettansammlungen und den dicken Bauchdecken gegeben. Wenn man beispielsweise der minimal-invasiven Gallenblasenentfernung den Schwierigkeitsgrad 1 zuweist, dann kann man der Magenband-Operation die Stufe 3, dem laparoskopischen Magenbypass die 7 und dem biliopankreatischen Bypass oder Duodenal Switch die Stufe 10 zuordnen.
Bei superobesen Patienten kann die Letalität bei der BPD-Operation auf bis zu zehn Prozent steigen
Fasst man sämtliche publizierten Operationsserien zusammen, so kann eine Letalität von unter einem Prozent angenommen werden; diese steigt jedoch bei superobesen Patienten mit einem BMI von über 60 auf bis zu zehn Prozent an [Gagner M. et al., 2002 A]. Ursächlich sind in diesen Fällen zumeist allgemeine Komplikationen, die durch zu lange Operationszeiten begünstigt werden. Hinzu kommen die Folgen von Komplikationen. Insgesamt ist die Lernkurve beim laparoskopischen BPD-DS lang. Die Letalität nach offenen BPD-Operationen ist mit 0,5 Prozent in einzelnen Serien ebenfalls erstaunlich niedrig [Scopinaro et al., 1999].
Der duodenale Switch ist die Weiterentwicklung des BPD
Der duodenale Switch (= duodenale Umstellung) basiert auf dem Prinzip der biliopankreatischen Diversion und ist eine Fortentwicklung dieser effektiven Technik. Beim „Duodenal Switch“ ist jedoch der Magenpförtner vorhanden, der ein „Dumping“ (Sturzentleerung von Zucker aus dem Restmagen mit nachfolgender Blutzuckerregulation und Nebeneffekten, wie Übelkeit und Schweißausbruch) verhindert. Der duodenale Switch ist die Weiterentwicklung des BPD. Diese Technik ist dem BPD in ihrer Funktion gleichwertig, besitzt jedoch den Vorteil, dass der Magenpförtner („Pylorus“) erhalten werden kann. Die Technik wurde ursprünglich von Tom R. DeMeester zur Behandlung des Gallerefluxes entwickelt. Der Duodenalstumpf wird verschlossen und das postpylorische Duodenum (Zwölffingerdarm) wird mit dem Ileum (Teil des Dünndarms) verbunden. Im Jahr 1988 hat Douglas Hess (Bowling Green, Ohio) als erster Chirurg die Kombination mit dem BPD zur Gewichtsreduktion in „offener Technik“ vorgenommen. Die Ergebnisse hinsichtlich Gewichtsverlust und der Lebensqualität (Eßverhalten) waren überzeugend. Michael Gagner (New York, USA) hat diesen Eingriff 1999 als erster Chirurg laparoskopisch durchgeführt.
Langzeitauswirkungen der Malabsorption lassen sich bislang nur schwer abschätzen
Anhand der publizierten Daten wurden von Gentischeli et al. (2002) 16 Prozent operationsbedingte Gesundheitsstörungen (332/2073) errechnet. Die Langzeitauswirkungen der Malassimilation (Malabsorption und Maldigestion) lassen sich jedoch bislang nur schwer abschätzen. Defiziten im Vitamin- und Hormonhaushalt muss durch ständige Substitution entgegengewirkt werden. In der offenen Technik (Bauchschnitt) war die allgemeine Komplikationsdichte durch Lungenembolien (0,4 Prozent) und Thrombembolien, Wunddehiszenzen und Wundinfektionen relativ hoch. Mit der minimal-invasiven Technik verringern sich diese allgemeinen Komplikationen – hervorgerufen durch längere Bettruhe und Bauchwunden – wesentlich. Späte Komplikationen bei dieser Technik sind Eisenmangel mit Anämie, Anastomosenulzera (Geschwüre an den Neuverbindungen) und Osteoporose aufgrund der Aufnahmestörungen für Kalzium und Eiweiß. Diese spezifischen Komplikationen können – bei kooperationswilligen Patienten – jedoch durch eine entsprechende organisierte Nachsorge und Substitution weitgehend vermieden werden. Bei freier Ernährung kann eine Normalisierung der Glukose- und Cholesterolspiegel beobachtet werden.
Halten sich die Patienten an die Supplementation, sind Mangelerscheinungen eher selten. Auftreten können beispielsweise mikrozytäre Anämien, die ohne Vitamin B12-Substitution immerhin in 40 Prozent der Fälle auftreten. Halten sich die Patienten an die Supplementation beträgt die Häufigkeit weniger als fünf Prozent. Mit der fortschreitender Zeit wird das Ausmaß der notwendigen Supplementation geringer. Das Stoma-Ulkus tritt häufiger bei Männern auf und wird durch Alkohol- und Zigarettenkonsum begünstigt. Mehr als zwei Drittel entstehen im ersten Jahr nach der Operation. Sie sind durch Medikamente in 94 Prozent zum Abheilen zu bringen, wenn das Rauchen aufgegeben wird. Entstehen Stenosen, so sind Dehnungen notwendig. In seltenen Fällen muss eine operative Revision erfolgen. Eine medikamentöse Prophylaxe kann die Häufigkeit auf 3,2 Prozent senken. Langfristig kann ein Kalziummangel entstehen, wenn die Nahrung zu wenig davon enthält. Eine Aufnahme von 2 g/Tag sollte gewährleistet sein (Milchprodukte). Andernfalls kann ein Mangel durch Supplementation und monatliche intramauskuläre Gabe von 400 000 IU Vitamin D behoben werden. Eine Periphere Neuropathie und die Wernicke-Enzephalopathie waren früher als Komplikationen gesehen worden, wenn eine länger andauernde erhebliche Nahrungseinschränkung zu beobachten war. Patienten, die ausreichend essen und B-Vitamine erhalten, zeigen diese Auswirkungen nicht mehr. Nachuntersuchungen von bei 1450 Patienten zeigten keinerlei neurologische Komplikationen. Risikopatienten können mit Thiamin behandelt werden. Klinische Zeichen des Eiweißmangels können langfristig Anämie, Kachexie, Ödeme und Haarverlust sein.
Die Restmagengröße hat einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung eines Eiweißmangels. Der „Schlauchmagen“ mit einem größeren Restvolumen zeigt weitaus seltener einen Eiweißmangel als die quere subtotale Magenentfernung. Eine Eiweißsubstitution erscheint bei Mangelerscheinungen notwendig. In Extremfällen kann sich eine kurzzeitige parenterale Substitution nötig machen. Der BPD-DS kann eine verstärkte Oxalatresorption verursachen, die sich jedoch nicht in einer vermehrten Oxalat- Ausscheidung niederschlägt. Die Häufigkeit von Nierensteinen zeigte keine Unterschiede zur Normalbevölkerung. Bei 1284 BPD-Patienten wurden in Langzeitbeobachtungen von mehreren Jahren folgende Erscheinungen im Enddarmbereich beobachtet, die durch vermehrt breiige Fettstühle hervorgerufen werden können: 4,3 Prozent Hämorrhoiden, 1,9 Prozent Analrhagaden, 0,4 Prozent Perianalabszesse, 3,5 Prozent Akne, 0,5 Prozent Furunkel, 2,9 Prozent Nachtblindheit. Während die Erkrankungen am After durch die breiigen und manchmal flüssigen fettreichen Stühle häufiger als bei Normalpersonen auftreten, ist die Nachtblindheit auf eine mangelhafte Vitamin-A-Aufnahme zurückzuführen. Nachtblindheit tritt allerdings auch in der Normalbevölkerung auf. BPD-DS verursacht eine verstärkte Oxalat-Resorption, aber keinen Anstieg des Oxalats im Urin. Eine Zunahme von Nierensteinen wurde somit auch nicht beobachtet. Die meisten späten Todesfälle nach BPD-DS waren durch unabhängige Erkrankungen aufgetreten. Bei einem zu starken Alkoholkonsum kann es schneller zu einer Leberzirrhose kommen, da der Alkohol sehr rasch im Dünndarm aufgenommen wird und die Blutspiegel schneller ansteigen, als bei einem vorhandenen Speicherorgan „Magen“. Es wird auch selten über eine Wernicke-Enzephalopathie, eine neurologische Erkrankung durch Vitamin-B-Mangel, berichtet.
Postoperative Ernährung: Langsamer Kostaufbau mit klaren, zuckerfreien Getränken
Bereits am zweiten postoperativen Tag wird ein Gastrographinschluck (derzeit keine gängige Praxis mehr) durchgeführt. Falls keine Probleme bestehen, kann die Magen-Sonde (ebenfalls keine gängige Praxis mehr) aus der Nase entfernt werden. Zeitgleich ist dann der langsame Kostaufbau mit zunächst Wasser (< 30 ml/Std) möglich. Manche US-Zentren führen keine routinemäßige Röntgenuntersuchung durch und andere belassen postoperativ keine Magensonde, ohne negative Auswirkungen zu beobachten. Nachdem der Patient schluckweise Wasser verträgt, wird die Trinkmenge auf bis zu 60 ml/Std gesteigert und er erhält dreimal pro Tag 60 ml einer trinkbaren Standardnährlösung der Geschmacksrichtung seiner Wahl. Die Patienten können Wasser, Tee, Brühe und Gatorade trinken. Sie sollen versuchen, jede Stunde eine halbe Tasse Flüssigkeit aufzunehmen. Sie erhalten außerdem zuckerfreien Wackelpudding. Die Patienten werden angehalten, nicht aus Flaschen oder mit Strohhalmen zu trinken – dies kann Blähungen verursachen. Ab dem vierten Tag nach dem Eingriff werden die Patienten zu einer Ernährung aus pürierter und weicher Nahrung, die niedrig in Fett- und Zuckerzusammensetzung ist, angeleitet. Es liegt mit am Patienten, die Menge, die er zu sich nimmt, festzulegen. Die Patienten müssen geschult werden: Der Magen ist sehr klein, er hat Form und Größe einer kleinen Banane. Nach der Entlassung werden die Patienten bis auf weiteres angewiesen, feste Nahrung zu meiden. Kohlenhydratreiche Getränke sind generell untersagt. Medikationen dürfen nur in Pulverform oder als Lösung eingenommen werden. Die Patienten werden in der zweiten bis dritten postoperativen Woche mit einer Weich-Ernährung aus dem Krankenhaus entlassen und sollen diese für etwa drei Wochen beibehalten. Nachdem die Phase 2 toleriert wurde, werden die Patienten langsam zu einer leichten Ernährung übergehen, die sich auf Proteine, niedrig-laktosehaltige Milchprodukte stützt sowie wenig Zucker und Fett enthält. Dieses Stadium ist sehr individuell; einige Patienten können Intoleranzen für bestimmte Nahrungsmittel entwickeln - dann sollten sie diese Bestandteile nach einer Woche erneut versuchen und dabei besonders gründlich kauen und langsam essen. Nachdem die Phase 3 toleriert wurde, werden die Patienten ab der vierten Woche langsam zu einer normalen Ernährung übergehen, die sich auf Proteine und Milchprodukte stützt und weiterhin Zucker und Fett vermeidet. Sie sollten schließlich schrittweise von weicher zu festerer Nahrung gelangen. Hierbei sollte mit gekochtem Huhn und Fisch begonnen werden. Fleisch wird möglicherweise einige Zeit überhaupt nicht vertragen. Die Patienten werden zu langem Kauen der Speisen sowie zu Pausen zwischen den einzelnen Bissen angehalten. Beim Eintreten eines Völlegefühls sollte die Nahrungsaufnahme beendet werden. Pro Tag sind drei Mahlzeiten einzuhalten; das Auslassen einer Mahlzeit ist zu vermeiden. Zwischenmahlzeiten sollten nur wenig Kalorien enthalten, wie beispielsweise reines Popcorn, Sellerie oder Karotten.
Allgemeine Hinweise für Patienten:
- Limitieren Sie die Verwendung von Ölen, Fetten, Mayonaise etc.!!
- Trinken Sie Light- oder Diät-Getränke mit reduziertem Zuckergehalt!! (viel Wasser)
- Vermeiden Sie Getränke eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit.
- Trinken Sie eine halbe Tasse Flüssigkeit pro Stunde!
- Überessen Sie sich nicht – hören Sie auf, wenn Sie satt sind!
- Essen Sie immer zuerst die Proteine (Milch, Käse, Fisch, Eier), dann Gemüse, Früchte und
schließlich die Kornprodukte!
Quelle: Prof. Dr. R. A. Weiner